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Medizin

Fleisch und Diabetes: Fakten statt Fiktion

Neue Studien behaupten, Fleischkonsum erhöhe das Risiko für Typ-2-Diabetes. Doch zahlreiche Experten warnen: Diese Forschung weist Lücken auf, und andere Studien zeigen keinen klaren Zusammenhang. Kluger Fleischgenuss ist sicher.

Der Zusammenhang zwischen Fleischkonsum und Diabetes ist ein heiß diskutiertes Thema. Immer wieder werden Studien veröffentlicht, die einen direkten Zusammenhang zwischen dem Verzehr von rotem Fleisch und dem Risiko für Typ-2-Diabetes nahelegen. Doch viele Experten und neue Forschungen zeigen, dass diese Behauptungen oft auf ungenauen Daten und methodischen Schwächen basieren.
Eine kürzlich veröffentlichte Meta-Analyse in The Lancet Diabetes & Endocrinology stützt sich auf Daten von fast zwei Millionen Menschen und behauptet, dass ein hoher Konsum von verarbeitetem und unverarbeitetem rotem Fleisch das Diabetesrisiko um 10-15 % erhöhen könnte. Doch bei genauer Betrachtung der Daten stellen sich einige Fragen.

Die Schwächen der Studie: Verzerrte Ergebnisse?

Wie Prof. Giuseppe Pulina und andere Forscher betonen, handelt es sich bei der Lancet-Studie um eine Kohortenanalyse, die keine kausalen Zusammenhänge nachweisen kann. Vielmehr könnte die Assoziation zwischen Fleischkonsum und Diabetes durch andere Faktoren wie Bewegungsmangel, Fettleibigkeit oder unausgewogene Ernährungsgewohnheiten beeinflusst werden. Ein weiterer Kritikpunkt: Der Fleischkonsum wurde durch Selbstauskünfte der Teilnehmer erfasst, was oft zu Ungenauigkeiten führt.
Zudem zeigte die Studie deutliche Schwächen bei der Differenzierung zwischen verarbeiteten und unverarbeiteten Fleischprodukten sowie den Zubereitungsmethoden – Faktoren, die nachweislich einen Einfluss auf das Gesundheitsrisiko haben.

Fleischkonsum: Studien mit neutralen Ergebnissen

Abseits der kritisierten Studie gibt es auch zahlreiche Untersuchungen, die keinen signifikanten Zusammenhang zwischen Fleischkonsum und Diabetes feststellen konnten. Eine Studie, die 2022 in Nature veröffentlicht wurde, kommt zu dem Schluss, dass unverarbeitetes rotes Fleisch in Maßen konsumiert kein erhöhtes Diabetesrisiko darstellt. Andere Faktoren wie Übergewicht und ein inaktiver Lebensstil wurden als stärkere Einflussfaktoren identifiziert.

Auch die NutriRECS-Initiative aus dem Jahr 2019 argumentierte, dass die vorhandenen Beweise für einen starken Zusammenhang zwischen Fleischkonsum und Diabetesrisiko zu schwach sind, um drastische Ernährungsrichtlinien zu rechtfertigen. Tatsächlich empfehlen die Forscher, den Verzehr von unverarbeitetem Fleisch nicht drastisch einzuschränken, sondern auf Ausgewogenheit und Qualität zu achten.

Land Fleischkonsum pro Kopf (kg/Jahr) Diabetesprävalenz (% der Erwachsenen) Übergewicht (% der Erwachsenen)
USA 124 10.5 42.4
Deutschland 88 9.2 53.1
Japan 45 7.9 25.0
Indien 4 8.9 20.0
Brasilien 75 9.1 57.3
Australien 110 5.3 67.0
Südafrika 58 10.0 31.3
Großbritannien 79 7.8 64.2
Österreich 102 8.4 47.7

(Quelle: WHO, FAO, World Obesity Federation, die verwendeten Daten repräsentieren allgemeine Werte aus den Jahren 2022/2023)

Österreich hat einen hohen Fleischkonsum, jedoch sind die Diabetesprävalenz und Übergewichtsraten vergleichbar mit anderen Ländern Europas. Diese Daten unterstreichen, dass der Fleischkonsum allein nicht der Hauptfaktor für diese Gesundheitsprobleme ist.

Fleischgenuss in Maßen – sicher und gesund

Die Zubereitung von Fleisch und die Art der Produkte sind entscheidend. Während stark verarbeitete Fleischprodukte wie Hot Dogs und Wurstwaren eher mit gesundheitlichen Risiken verbunden sein können, zeigt unverarbeitetes, gut zubereitetes Fleisch nur einen geringen Einfluss auf das Diabetesrisiko. Experten sind sich einig, dass Qualität und eine ausgewogene Ernährung wichtiger sind als eine vollständige Reduktion des Fleischkonsums.

Regionales Fleisch von verantwortungsvollen Betrieben ist gesünder

Es gibt Hinweise darauf, dass Adrenalin, das während des Schlachtens durch Stress freigesetzt wird, den Stoffwechsel des Tieres beeinflussen kann. Studien zeigen, dass Adrenalin die Insulinausschüttung der Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse hemmt, was zu erhöhtem Blutzuckerspiegel führen kann. Diese Reaktion dient dazu, dem Körper in Stresssituationen sofortige Energie bereitzustellen, indem die Insulinausschüttung gehemmt und die Freisetzung von Glukose verstärkt wird.

Obwohl diese Prozesse im Körper des Tieres ablaufen, ist die Frage, ob das im Fleisch verbleibende Adrenalin direkten Einfluss auf die menschliche Gesundheit hat, weniger erforscht. Einige Untersuchungen weisen darauf hin, dass unphysiologisch hohe Adrenalinspiegel die Insulinsekretion beeinflussen können, jedoch sind die genauen Auswirkungen von stressbedingtem Adrenalin im Fleisch auf die menschliche Bauchspeicheldrüse noch nicht ausreichend geklärt​(

Wichtiger ist jedoch, dass die Bedingungen der Massentierhaltung, in denen Tiere regelmäßig unter Stress stehen und Antibiotika verabreicht werden, indirekt gesundheitliche Auswirkungen auf den Menschen haben können, insbesondere durch die Verbreitung antibiotikaresistenter Bakterien (AMR)​. Der Konsum von Fleisch aus nachhaltiger, stressfreier Haltung könnte daher eine bessere Wahl für die Gesundheit sein.

Einkaufen bei Fleischer des Vertrauens ist die beste Alternative

Industriell hergestellte Wurst- und Fleischprodukte enthalten häufig hohe Mengen an Zusatzstoffen wie Salze, Nitrate und Phosphate, die nicht nur zur Konservierung, sondern auch zur Verbesserung des Geschmacks und der Haltbarkeit verwendet werden. Studien zeigen, dass ein übermäßiger Verzehr von verarbeiteten Fleischwaren das Risiko für verschiedene gesundheitliche Probleme, darunter Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes, erhöhen kann. Insbesondere der hohe Salzgehalt und die teilweise ausschweifende Verwendung von Nitritpökelsalzen zur Konservierung von Wurstwaren werden als problematisch angesehen​.

Handwerklich hergestellte Fleischprodukte hingegen verwenden in der Regel weniger Zusatzstoffe und legen größeren Wert auf natürliche Zutaten. Dies kann sich positiv auf die Gesundheit auswirken, da handwerkliche Metzger oft sparsam mit Salzen und Konservierungsmitteln umgehen und keine industriellen Verfahren zur Geschmacksverstärkung nutzen. Eine Studie in der British Medical Journal (BMJ) zeigte, dass Menschen, die verarbeitete Fleischprodukte meiden und stattdessen unverarbeitetes Fleisch und Produkte aus nachhaltiger Erzeugung konsumieren, ein geringeres Risiko für chronische Krankheiten haben​(

Diese Ergebnisse unterstreichen, dass der Konsum von hochwertigem, schonend verarbeitetem Fleisch aus handwerklicher Herstellung gesünder sein kann als der Verzehr von industriell gefertigten Produkten.

Fazit: Bewusster Fleischkonsum statt Verzicht

Die Diskussion um Fleisch und Diabetes zeigt, dass eine pauschale Verurteilung des Fleischkonsums nicht gerechtfertigt ist. Entscheidend sind die Art des Fleischs, die Zubereitung und der Lebensstil. Kluger, bewusster Fleischgenuss, insbesondere von unverarbeiteten Produkten, kann Teil einer gesunden Ernährung sein. Studien, die Fleisch mit Diabetes in Verbindung bringen, müssen kritisch hinterfragt werden, da sie oft methodische Schwächen aufweisen.

 

Edit am 1. September 2024: Da Fragen zur NutriRECS-Initiative kamen.

Die Ernährungsempfehlungen der NutriRECS-Initiative

Die NutriRECS-Initiative, die 2019 ihre viel diskutierten Ernährungsempfehlungen veröffentlichte, kam zu dem Schluss, dass Erwachsene ihren derzeitigen Konsum von rotem und verarbeitetem Fleisch fortsetzen können. In ihren systematischen Überprüfungen, die Daten von mehr als 54.000 Teilnehmern umfassten, fanden die Forscher keinen signifikanten Zusammenhang zwischen Fleischkonsum und erhöhtem Risiko für Herzkrankheiten, Diabetes oder Krebs. Diese Ergebnisse widersprachen gängigen Empfehlungen und führten zu einer hitzigen Debatte in der wissenschaftlichen Gemeinschaft.

NutriRECS stützte sich dabei auf die GRADE-Methodik (Grading of Recommendations Assessment, Development and Evaluation), um die Qualität der verfügbaren Evidenz zu bewerten. Obwohl viele öffentliche Gesundheitsorganisationen, wie die American Heart Association und Harvard T.H. Chan School of Public Health, die Veröffentlichung kritisierten, blieb NutriRECS bei der Einschätzung, dass der Zusammenhang zwischen Fleischkonsum und Gesundheitsrisiken schwach und nicht überzeugend sei​(

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